Donnerstag, 3. Juni 2010

Dr. phil. J. Menzhausen zu 450 Jahren Kunstkammer

Ein würdiger "Kammerherr" plauderte aus dem "Schatzkästlein" der Kurfürsten
von Reinhard Heinrich 

Die DRESDEN BUCH-Veranstaltung am vorigen Donnerstag war ein ähnlicher Geheimtipp wie seinerzeit die Konzerte und Vorträge in der Porzellansammlung, als in den 80ern des vorigen Jahrhunderts ein "eingeweihter Kreis" unter sich "herum erzählte", wie gut es wieder einmal gewesen war. Der "eingeweihte Kreis" kommt vermutlich heute immer noch teilweise zusammen - und manchmal eben in der Buchhandlung - zum Vortrag.

Und gut war es auch dieses mal. Joachim Menzhausen ist seit über einem halben Jahrhundert in den Kunstsammlungen praktisch zuhause, davon über 30 Jahre als Direktor des Grünen Gewölbes. Und im (Un-)Ruhestand wohl erst recht. Er hört nicht auf zu publizieren (Buch zum Thema s. 2. Abbild.) und zu forschen. Er ist ein Entdecker und Geheimnis-Lüfter - anscheinend seit er mit Kunst zu tun hat. Und lächelnd bringt er auch manches Gebäude kunstgeschichtlich "unumstößlicher Tatsachen" zum Einsturz, indem er der Arbeit alter sächsischer und fremder Kunsthandwerker nachforscht.


Was Joachim Menzhausen an diesem Abend vorgestellt hat, war nicht die Schönheit unserer sächsischen Kunstschätze. Die ist gegen Eintritt zu besichtigen. Menzhausen zeigte, was den eigentlichen Wert der Kunstkammer für Sachsen einst ausmachte: Die Technologiesammlung, wie man heute sagen würde. Es hieß eben auch Wasser"kunst", womit man Wasser bergauf bewegen konnte. Und für den dünnwandigen Bronzeguß kaufte Sachsen kurzerhand das Know-How in Italien ein - in Person des Gußtechnikers. Dafür mußten allerdings auch "unsere" Handwerker höchstpersönlich ihr sächsisches Know-How nach Italien tragen. Und alles wurde auf  Regierungsebene ausgehandelt. Der frei wandernde Handwerksbursche gehörte wohl noch nicht in die Renaissance.



Wer Menzhausen hört, macht eine Zeitreise. Er spricht ganz selbstverständlich von "uns Sachsen", sagt "wir haben in einer kleinen Stadt im Erzgebirge einen Uhrmacher gehabt", wie es ihn sonst nur in Paris und London gab. Als wäre er selbst dabei gewesen.

Geradezu atemberaubend jedoch wird sein Vortrag, wenn er beiläufig erwähnt, wie er eine kunsthistorisch sensationelle Entdeckung mal eben "beim Auspacken der Kisten aus Rußland" gemacht hat. Ja - er war 1958 tatsächlich dabei, als die Kunstschätze auf Beschluß der Sowjetregierung zurück kamen.

Doch anscheinend war er auch dabei, als Renaissancefürsten in Dresden, Wien und anderswo wie auf Verabredung ihre Kunstkammern anlegten. Und Menzhausen muß auch die private Treppe vom kurfüstlichen Schlafgemach in die Dachkammern des Schlosses emporgestiegen sein, um den Prinzen bei der Drechselausbildung zuzusehen. Jedenfalls erzählt er es so lebendig, daß man es glauben möchte.

Wer diese Veranstaltung erlebt hat, weiß, was das gegenwärtige Jubiläum "450 Jahre Kunstkammer" bedeutet - und was es nicht bedeutet. Und durchschaut mit einem Augenzwinken auch ein bißchen die Marketing-Strategie der Staatlichen Kunstsammlungen, die fast alle Jahre wieder einen Anlaß finden - und überaus erfolgreich in die Welt setzen - damit immer wieder und immer mehr Touristen einen Grund haben, nach Dresden zu kommen. Und es tut ja der Stadt gut.

Der Buchhandlung DRESDEN BUCH im Untergeschoß der Passage im Quartier F (direkt zwischen Frauenkirche und Fürstenzug) wiederum tut es gut, Veranstaltungen mit solchen Referenten zu haben. Da hat ein Buchhändler sein Hobby zum Beruf gemacht - und übt es als Berufung aus. Die Dresdner sollten ruhig mal auch außerhalb von Vorträgen rein schauen, Touristen tun es ohnehin.

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